10.12.2016 - Barbarafeier des Bermannsvereins im Gemeindezentrum Neuhof.

 

Barbarafeier des Neuhofer Bergmannsvereins „Glückauf“ Neuhof 1907 e.V.

Zu den Kernpunkten der Barbarafeier der Bergleute zählten Ehrungen für 25-, 50- und 60-jährige Vereinsmitgliedschaften, Ernennungen zu Ehrenmitgliedern, sowie die traditionelle Barbararede.

1.Vorsitzender Walter Kress begrüßte in dem weihnachtlich geschmückten großen Saal des Neuhofer Gemeindezentrums eine ganze Reihe von Gästen,

darunter den Ehrenvorsitzenden des Bergmannsvereins Kamerad Horst Bannert mit Gattin, die Ehrenmitglieder Eduard Schuster, Ferdinand Kehr, Willi Möslein, Gerhard Schäfer, Manfred Knieper, Oskar Schneider und Ewald Rausch.

Stellvertretend für die K+S-Werksleitung durfte Walter Kress den Produktionsleiter unter Tage, Herrn Dr. Stefan Weber mit Gattin, begrüßen.

Herr Ebeling (Werksleiter) war verhindert und wünschte der Veranstaltung einen guten Verlauf.

Grüße gingen weiterhin an unsere Bürgermeisterin, Frau Maria Schultheis, mit Gatten, den Nachfolger von Frau Schultheis, Herrn Heiko Stolz, den Bürgermeister der Gemeinde Flieden, Herrn Christian Henkel, sowie den Ortsvorsteher der Gemeinde Neuhof, Herrn Martin Kress.

Willkommen heißen durfte der 1. Vorsitzende weiterhin den K+S-Betriebsratsvorsitzenden, Herrn Axel Hartmann, Herrn Jürgen Bessler und Daniel Föller, (K+S-Ausbilder) sowie die Geistlichkeiten Pfarrer Dr. Dagobert Vonderau, Kaplan Toga Pasaribu, und von der Fuldaer Palliativstiftung Frau Elke Hohmann.

Es ist zu einem schönen Brauch geworden, dass sich die Neuhofer Vereine gegenseitig unterstützen.

Von den Neuhofer Vereinen waren Abordnungen des VDK, des TV-Jahn Neuhof 1908 und der Chorvereinigung Cäcilia Neuhof der Einladung gefolgt.

Der Bergmannschor unter Leitung von Frau Evelyn Bischoff stellte sein Können wieder mal eindrucksvoll unter Beweis. Die Darbietungen wurden mit lang anhaltendem Applaus bedacht.

Die Bergmannskapelle Neuhof-Hattenhof unter Stabsführung von Herrn Helmut Goldbach sorgte wie immer für eine gelungene musikalische Umrahmung. Ein herzliches Glückauf ging an den 1. Vorsitzenden Uwe Goldbach.   

Für eine musikalische Darbietung der besonderen Art sorgten mit einem Alphorn- und Flügelhornauftritt Matthias und Philipp Flügel.

Walter Kress dankte allen fleißigen Helferinnen und Helfern die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Ein besonderer Dank ging auch an das Blumenfachgeschäft Zimmermann-Jantke für die Gestellung des Blumenschmuckes und an Walter Kullmann der die Weihnachtsbäume gespendet hat.

Die Besucher erhoben sich zu einer Gedenkminute von Ihren Plätzen.

Folgende Kameraden verstarben seit dem letzten Jahr:

Fritz Auth                     Oberkalbach

Josef Merz                    Neuhof

Alois Stolz                     Neuhof

Karl Abel                      Flieden

Paul Kress                     Neuhof

Wilhelm Nemelka         Neuhof

Franz Leibold               Flieden

Ulrich Remer                Neuhof

Konrad Lamp              Oberkalbach

Anton Heidenreich       Weidenau

Fritz Heller                   Neuhof

Karl Krah                     Neuhof

Waldemar Henkel        Neuhof

Ernst-Rüdiger Zeiler    Neuhof

Herbert Würfel             Rückers

Dieter Schäfer               Oberkalbach

Winfried Hack              Neuhof

Nach einem Auftritt des Bergmannschores folgte die Barbararede von unserer Bürgermeisterin Frau Maria Schultheis.

Im Anschluss standen insgesamt 8 Jubilarehrungen an.

Walter Kress gab einen kurzen geschichtlichen Abriss von wichtigen Ereignissen die vor 25-, 50-, und 60 Jahren stattgefunden haben und dankte den verdienten Mitgliedern nicht nur für die lange Treue zum Verein, sondern auch für Ihr tatkräftiges Engagement über mehrere Jahrzehnte hinweg.

Ehrung für 25 Jahre Mitgliedschaft

Kamerad Karl Hasenauer aus Hauswurz

Ehrung für 50 Jahre Mitgliedschaft

Kamerad Wolfgang Gärtner aus Rommerz

Kamerad Heinrich Gießer aus Schlüchtern (Wurde an diesem Abend 89 Jahre!)

Heribert Heurich aus Rommerz

Wilhelm Vögler aus Uttrichshausen

Ehrung für 60 Jahre Mitgliedschaft

Kamerad und Ehrenmitglied Willi Möslein aus Neuhof

Kamerad Karl Hartmann aus Simmershausen

Kamerad Heinz Teiser aus Niederkalbach

Die Kameraden erhielten eine Urkunde und eine Ehrennadel von den Mitgliedern des geschäftsführenden Vorstandes überreicht.

 

Im Anschluss standen Ernennungen zum Ehrenmitglied an.

Ehrenmitglied Kamerad Rudolf Auth

Rudolf war lange Jahre als Vorstandsmitglied tätig und als Fahnenträger aktiv. Weiterhin wirkte er im Bergmannschor mit.

Ehrenmitglied Josef Diegelmann

Josef war viele Jahre im Vorstand tätig und unterstützte den Verein immer bei Bergmannsfesten und sonstigen Veranstaltungen.

Ehrenmitglied Gerold Ihrig

Gerold ist seit 40 Jahren aktiv im Vorstand tätig. Er organisiert Fahrten,

ist für Beerdigungen zuständig, hilft wo immer es geht, steht jederzeit für die Belange des Vereins ein und ist immer ansprechbar was unseren Verein angeht. Gerold ist einfach ein Allrounder!

Ehrenmitglied Helmut Spahn

Helmut ist seit 41 Jahren im Vorstand tätig und nimmt z. Zeit die Pos. des 1. Kassierers und es Geschenkewartes sehr gewissenhaft und genau ein. Über 4 Jahrzehnte hinweg hilft und organisiert Helmut tatkräftig bei zahlreichen Veranstaltungen, Fahrten, Haldenkonzerten und trägt zum Gelingen bei. Weiterhin hilft Helmut sehr aktiv bei der Gestaltung unseres neuen Vereinsheims mit.

Ehrenmitglied Günther Schlufter

Günther war viele Jahre im Vorstand tätig, hat Beerdigungsteilnahmen organisiert und Grabreden gehalten und sich seit Jahrzehnten für unseren Verein eingesetzt und war und ist immer ansprechbar wenn es um die Belange unseres Vereins geht.

Die Kameraden erhielten eine Ehrenurkunde und ein Musik-CD von bergmännischen Liedern überreicht.

Die Spenden der letzten Jahre gingen an die Fuldaer Palliativstiftung.

Auch im Jahr 2016 wird ein Betrag überreicht.

Frau Elke Hohmann (Fuldaer Geschäftsstelle) war der Einladung gerne gefolgt und richtete Grüße von Dr. Sitte (Palliativmediziner und Vorstandsvorsitzender des Stiftungsvorstandes) aus, und bedankte sich für die Spenden der letzten 3 Jahre. Wichtig ist eine gute Versorgung zum Lebensende. Mit einer Spende kann man das Leben einfacher machen.

Walter Kress bedankte sich zum Schluss für die Unterstützung in diesem Jahr bei Jubilarehrungen, Beerdigungen, Teilnahmen an den zahlreichen Aktivitäten des Bergmannsvereins, dem Monte-Kali Bergmannschor Neuhof, der Gemeinde Neuhof und den gemeindlichen Gremien, den beiden Kirchen, der Bergmannskapelle Neuhof-Hattenhof, sowie bei all den Freunden und Gönnern, die dem Bergmannsverein nahestehen und sich mit den Zielen und Zwecken verbunden fühlen.

Besonderer Dank ging auch an die K+S - Werksleitung für die Unterstützung und an alle Vorstandsmitglieder!

Kamerad Kress informierte über unser neues Vereinsheim und bat die Vereinsmitglieder um Mitarbeit. Je mehr Mitglieder helfen, umso eher

sind wir mit den Arbeiten fertig!

Der 1. Vorsitzende verwies noch auf den Termin unserer nächsten Jahreshauptversammlung am 28.01.2017. Die JHV beginnt um 15.00 Uhr in der Gaststätte Schmitt.

Mit dem Singen des Bergmannsliedes endete der offizielle Teil der Veranstaltung.

 

 

 

 

Barbararede am 10. Dezember 2016 im Gemeindezentrum

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Kreß,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

verehrte Gäste,

Der Bergmannsverein „Glückauf“ Neuhof und die jährliche Barbarafeier gehören eng zusammen und sind ein fester Bestandteil im Jahreskalender unserer Gemeinde.

Wir in Neuhof sind der einhundertzehn-jährigen Tradition des Kalibergbaus und des Bergmannsvereins schon immer sehr verbunden. Das Kaliwerk und der im Volksmund genannte „Monte Kali“ wären gar nicht mehr aus unserer Gemeinde wegzudenken. Die Bergleute haben über mehr als ein Jahrhundert unter Tage ihr Brot – den Unterhalt für ihre Familien – verdient. Es ist eine lange, eine gute Tradition, die die Bergleute auch außerhalb der Arbeit im Vereinsleben verbindet und den Zusammenhalt und die Kameradschaft fördert.

Tradition heißt hier nicht etwa, an Altem unbedingt festhalten und das Neue ignorieren. Nein, bei uns in Neuhof hat die Pflege alten Brauchtums nichts mit Stillstand zu tun. Die Firma K+S, unser größter Arbeitgeber, hat bergmännisches Arbeiten optimiert, die Förderung in den vergangenen Jahrzehnten damit um ein Vielfaches steigern, die Produktpalette vergrößern und damit hunderte von Arbeitsplätzen schaffen und erhalten können.

Neuhof ist nicht zuletzt durch das hiesige Kalibergwerk und seine Bergleute zu dem geworden was es heute ist. Dafür können und müssen wir dankbar sein und mit Stolz und Ehrfurcht auf das Werk der heutigen Bergleute und der Bergleute vergangener Jahre schauen.

Gestatten Sie mir, dass ich mal einen Blick in die Vergangenheit werfe:

Am 19. Januar 1906 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau des Kalischachtes. Was da im Blätterwald der heimischen und überregionalen Presse rauschte, war aus damaliger Sicht schon imponierend. Zweieinhalb Millionen Mark würden bereitstehen, um „nahe bei Neuhof auf den Neuhof-Fuldafeldern“ einen Kalischacht abzuteufen.

Über eine weitere Investition von 90.000 Mark informierte das Fuldaer Kreisblatt 2 Tage später und meinte damit jenen Betrag, den die „Kaligewerkschaft Rothenberg zu Geyer“ bis dahin für notwendige Strukturmaßnahmen sowie für den Ankauf von Grundstücken zum Bau der Funktionsgebäude über Tage in das Projekt „Gewerkschaft Neuhof, Kaliwerke zu Neuhof-Fulda“ gesteckt hatte.

„Dies ist ein Haufen Geld“, stellte ein niedersächsisches Blatt dazu fest und führte weiter aus: … eine Summe, die den Neuhofern in erster Linie zu Gute kommt.“

Durchaus kein Wunder, dass solche und ähnliche Meldungen praktizierter Investitionsfreude innerhalb der Bevölkerung im Fliede- und Kemmetetal große Hoffnungen weckten. In dieser von Hoffnung genährten Anschauung sah man sie nun direkt vor sich „die neue Zeit“. Ja man fühlte sich einbezogen in die herbeigesehnte, aus der Stagnation herausführende, gerade erwachende und der engeren Heimat neue Impulse gebende Epoche.

Der jetzt unmittelbar bevorstehende Wendepunkt versprach für die Zukunft so viel Gutes. Er barg vor allem die riesengroße Chance in sich, einen bislang mit materiellen Gütern nicht allzu sehr gesegneten Landstrich aus einer miserablen wirtschaftlichen Lage herauszuführen. Auf diese ökonomisch günstige Aussicht vertraute jetzt Neuhof – und darauf setzte auch das Umland.

Um die vorhandene positive Grundeinstellung zum neuen Kaliwerk zu stabilisieren, rief im April 1906 der vorläufige Geschäftsführer des Neuhofer Schachtes schon beim Erreichen der Teufmarke von 60 Metern den „Leuten im Kalibecken Neuhof-Fulda“ zu: „Gaude Neuhof (freue dich Neuhof) und „Plaude Neuhof (frohlocke Neuhof)“.

Mit seinem Wunsch, dass das Neuhofer Unternehmen schon bald in der Lage sein möge, „die Hauptpfeiler des Staates: Industrie und Landwirtschaft in gleicher Weise zu stärken“, endete die Feierstunde.

Der Umbruch hatte begonnen, ja, es wehte jetzt ein anderer Wind im Neuhofer „Revier“. Eine bisher nicht gekannte Geschäftigkeit setzte im dörflichen Alltag ein.

Das Kreisblatt schrieb dazu im Januar 1906: „Allein schon die Vorbereitungen zum Bergbau bringen reges Leben und Treiben. Man sieht jetzt täglich mehr Leute auf den Dorfstraßen, als früher an Sonntagen.“

Den größten Anteil am Treiben in den Neuhofer Straßen hatte damals die Berufssparte der Lohnfuhrunternehmen, galt es doch, mit ihren Pferdegespannen während der gesamten Aufbauphase des Kaliwerkes Baumaterialen und sonstige Ausrüstungen vom Bahnhof zum Schacht zu transportieren.

Einen Auftrag besonderer Größenordnung konnte ab Ende März der Rommerzer „Fuhrwerksbesitzer“ Heurich übernehmen. An ihn war die Aufgabe gestellt worden, insgesamt sechs eiserne Großkessel von der Bahnstation zum Werk zu transportieren. Die besondere Schwierigkeit: Jedes Gefäß wog 600 Zentner. Dazu kam pro Kessel noch ein Transportschlitten von weiteren 100 Zentnern.

Jede Fuhre musste zum Teil über schmale Wege und enge Kurven bewegt werden. Heurich erfüllte diese heikle Aufgabe „mit großem Geschick“. Er setzte für jede einzelne Fuhre zwanzig Pferde ein. Am 24. April waren die sechs eisernen Großkessel an Ort und Stelle bereits installiert.

Durch den überdurchschnittlich starken Fuhrwerksverkehr kam es bisweilen zu starken Beschädigungen an Objekten. Ein Schwachpunkt im Streckenverlauf vom Bahnhof zum Bergwerk bildete die Brücke über die Fliede zwischen den Gemeinden Neustadt und Opperz (Wiedisbrück).

Der ständige Verkehrsfluss hatte der Brücke so sehr zugesetzt, dass sie Mitte August des gleichen Jahres zu Reparaturzwecken gänzlich gesperrt werden musste. Alle Lohnfuhrunternehmen mussten nun den Umweg über die Erlenhöfe und Schweben in Kauf nehmen.

Die festgestellte emsige Betriebsamkeit in Neuhof beschränkte sich nicht nur auf das Fuhrwerksgeschehen. Kaum eine Woche, in der nicht irgendwelche Kommissionen, Delegationen oder sonstige Verhandlungsgruppen für das „rege Leben“ im Ort sorgten.

Dies kam besonders der heimischen Gastronomie zugute, zumal sich die eine oder andere Sitzung über mehrere Tage hinweg ausdehnte. Dies war nicht anders, als eine vielköpfige Kommission drei Tage in Neuhof weilte, mit dem Auftrag „der landespolizeilichen Prüfung des Projekts einer Eisenbahn vom Bahnhofe Neuhof nach dem Kaliwerke“.

Dabei wurde folgende Projektbeschreibung erarbeitet: „Das normalspurige Anschlussgleis erhält eine Länge von zweieinhalb Kilometer, zieht sich in vielen Kurven durch das Gelände in das Dorf und mündet in den Bahnhof Neuhof, der lediglich für das Kaliwerk um vier Rangiergleise erweitert wird.

Die Kalizüge fahren nach der Inbetriebnahme der Anlage mit einer Geschwindigkeit von 250 Meter in der Minute“.

Die Kaliwerk-Baustelle und der Eisenbahnbau entpuppten sich als eine touristische Attraktion und zogen wahre Besucherströme an. Geschlossene Gruppen und Vereine wanderten nach Neuhof oder kamen per Zug aus dem Fuldaer Land angereist. Nach dem sogenannten „Werksrundgang“ stärkten sie sich bei den Neuhofer Gastwirten.

Bleibt zu erwähnen, dass auch der Gastwirt Fridolin Möller in Opperz (Gasse) auf die neue Zeit setzte und sich zum Bau eines neuen Saales mit einer eingebauten geräumigen Theaterbühne entschlossen hatte. Die Fuldaer Zeitung sah in dem Neubau „ein den gestiegenen Bedürfnissen Neuhofs“ angepasstes Bauwerk.

Außerdem kam es zu vielen weiteren Geschäftsgründungen im Handwerk. Auch die durch die Kaliindustrie in Neuhof ausgelöste günstige Arbeitsmarktsituation blieb für Neuhof und das Umland nicht ohne positive Breitenwirkung. Schon zwei Jahre nach Beginn der Teufarbeiten und vor Aufnahme der Kaliförderung zeichnete sich für Arbeitnehmer des Werkes ein ökonomisch zufriedenstellendes Bild ab, so ist es in einem Jahresbericht aus dem Jahr 1908 nachzulesen.

Dort heißt es: „In den Kaliwerken im Regierungsbezirk Cassel sind andauernd gute Löhne gezahlt worden. --- Auf der Grube Neuhof, deren Gesamtbelegschaft 207 Mann beträgt, ist die Zahl der Hausbesitzer unter der Belegschaft von 48 auf 62 gestiegen.“

Ferner ist aus diesem Bericht zu erfahren: „Diese Leute (die Beschäftigten beim Werk und den Subunternehmern) sind zu vier Fünfteln sesshafte Arbeiter aus und um Neuhof.  … als Maurer kommen sie aus Giesel, Niederkalbach, Rommerz, Rückers und Flieden.“

„Nicht mehr weg von Vater und Mutter, von Weib und Kind“ das waren die Schlagworte der regionalen Presse und die der reichsweit erscheinenden Fachblätter mit der Ergänzung: „Durch die neue Arbeitsgelegenheit wird es nicht mehr notwendig sein, dass hunderte Männer aus hiesiger Gegend in Westfalen, in der Wetterau oder in Frankfurt Arbeit und Brot suchen müssen.“

Durch die vorhandene Aufbruchseuphorie wurde allerdings vieles im allzu hellen Glanz auf die erwartete wirtschaftlich-sozial gut abgefederte Zukunft gesehen. Aber – es gab zu dieser Zeit auch eine Kehrseite, eine breitgefächerte sogar.

Infolge der am Standort Neuhof anzutreffenden Arbeits- und Verdienstsituation setzte im verstärkten Maße ein bemerkenswert kräftiger Zuzugsstrom von Neubürgern ein.

Starke Einwohnerzuwächse werden in den Statistiken kommunaler Körperschaften stets positiv gesehen, in der Praxis jedoch ergeben sich zumeist Konfliktsituationen vor allem dann, wenn das durch die gestiegenen Bevölkerungszahlen zwangsweise mitgewachsene Anforderungsprofil auf nicht angepasste Strukturen stößt.

Schulnotstand war in der katholischen Volksschule in Opperz zu verzeichnen.

Mit 120 Schülern pro Klasse stand die überforderte Lehrerschaft auf verlorenem Posten. Da konnte es auch kein Trost gewesen sein, zu wissen, dass die „Evangelischen“ drüben in Ellers in der Relation gesehen mit einer noch stärkeren „Schülerschwemme“ fertigwerden mussten.

Kritiker in der Presse forderten: „… den Unterricht so zu gestalten, dass die Jugend in ihrer geistigen Entwicklung keinen Schaden leidet“.

Die Gemeinden Opperz, Ellers und Neustadt wurden zur Anstellung einer neuen Lehrperson aufgefordert.

Die Zeitungskritik mündete dann in die Feststellung: „Die Entwicklung des hiesigen Schulwesens hält in keiner Weise Schritt mit dem Wachstum der Orte und mit den Anforderungen und der Ausbildung, wie sie heutigentages von einem entlassenen Volksschüler erwartet werden.“

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass für ca. 400 Schüler tatsächlich nur 4 Lehrkräfte zur Verfügung standen.

Der Hannoversche Anzeiger berichtete bereits in 1906: … es haben sich die Verhältnisse in der evangelischen Gemeinde völlig geändert. Es sind mehrere Hunderte und zwar fast lauter evangelische Arbeiter zugezogen und der Zuzug ist noch immer in starker Zunahme begriffen.

Die seither kleine evangelische Gemeinde ist von 81 auf über 500 und die Zahl der Schüler von 25 auf 75 gestiegen“.

Ein weiteres Thema, dem sich die örtliche Presse immer wieder gerne annahm, betraf die Sonntagsarbeit an den Bohrtürmen. Zur Kirmes merkte die Fuldaer Zeitung zum wiederholten Male an:

„Am allermeisten ärgert sich die Bevölkerung über die Faustschläge, welche den Katholiken in ihrem religiösen Empfinden versetzt werden – durch die Arbeit in den Bohrtürmen an Sonn- und Festtagen. Man ist sehr entrüstet, dass seitens der Ortspolizei und des Gendarmen gar nichts hiergegen geschieht, obwohl man das Pusten der Maschinen und das Rauchen der Schlote vom Dorfe aus wahrnehmen kann.“

Und dann die bange Frage: „Ob wohl am Kirchweihsonntag und –montag dort gearbeitet wird?“

Die Einwohnerzahl in Neuhof stieg kontinuierlich und das Vereinsleben nahm an Fahrt auf. In 1907 gründeten sich der Bergmannsverein „Glückauf“, die Chorvereinigung Cäcilia und die Freiwillige Feuerwehr Neuhof, in 1908 der Turnverein Jahn und in 1910 der Sportverein.

Jeder konnte sich nach seinen Neigungen und Hobbys in das Vereinsleben einbringen, so dass eine Stärkung der Gemeinschaft festzustellen war.

Die stetige Entwicklung und das Wachstum in Neuhof waren nicht von der Hand zu weisen.

Doch in 1926 wurde Neuhof und das Fuldaer Land von einem Schicksalsschlag eingeholt. Infolge des Versailler Vertrages von 1919 wurde das Kaliwerk stillgelegt. Über 1.000 Familien waren auf einem Schlag ohne Arbeit und Brot. Die Auswirkungen auf Gewerbe und Handel waren katastrophal.

Die Entwicklung der Gemeinde stagnierte!

Vielleicht hat diese Entwicklung auch dazu beigetragen, dass sich in 1928 die Ortschaften Opperz, Neustadt und Ellers zur Gemeinde Neuhof mit ca. 2.600 Einwohnern zusammengeschlossen haben, um gemeinsam eine bessere Ausgangsbasis für die Zukunft zu haben.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte in 1935 die Deutsche Wehrmacht die Schachtanlage Neuhof Ellers von der Wintershall AG übernommen. Das gesamte Areal unter Tage wurde zur „Heeresmunitionsanstalt Neuhof und Ellers“ ausgebaut um Heeresgut in Form von scharfer Munition, Sprengstoffen, Pulvervorräten und Waffen für den Ernstfall lagern zu können. Das bedeutete Krieg!

147 Gefallene, 63 Vermisste und 22 Bombenopfer waren das Resultat des 2. Weltkrieges in unserer Gemeinde. Fast alle Familien hatten den Verlust von lieben Menschen zu beklagen – die Auswirkungen auf das dörfliche Leben waren überall zu spüren.

1945 wurden 800 Flüchtlinge und Heimatvertriebene aufgenommen. Der Mangel an Wohn- und Schulraum, das geringe Arbeitsplatzangebot und die allgemeine Gemütslage waren eine wenig Mut machende Situation in Neuhof.

Erst mit der Rückgabe der Kalischachtanlage durch die Besatzungsmacht an die Wintershall AG keimte wieder Hoffnung auf. Schon beim Neuaufbau der Anlagen unter und über Tage wurden ab 1953 wieder Arbeiter eingestellt.

Der 28. September 1954 war ein großer Tag für Neuhof und läutete die Wende ein: Die Förderung am Kalischacht wurde wieder aufgenommen – die Bergleute konnten wieder das „weiße Gold“ in 600 m Tiefe abbauen.

Arbeitsplätze entstanden für Bergleute, Fabrikarbeiter, Kaufleute in der Industrie, aber auch im Handel und im Handwerk.

Der Aufschwung begann!

Neuhof erreichte den Status eines wirtschaftlichen Schwerpunktes im Südkreis.

Auch das Vereinsleben des Bergmannsvereins „Glückauf“ Neuhof erhielt neuen Aufschwung. Die Gemeinde kreierte erstmals ein eigenes Wappen. Die drei Ringe zeugen vom Zusammenschluss der Ortschaften Opperz, Neustadt und Ellers zur Gemeinde Neuhof. Schlägel und Eisen – was lag da näher – wurden als Symbol der Bergleute aufgenommen, ebenso die Farben Schwarz und Gold. Das Kreuz deutete auf die Zugehörigkeit zum Hochstift Fulda hin.

Am 4. Dezember 1954 wurde die erste Barbara-Feier in der Grube durchgeführt, die sich bis zum heutigen Tag etabliert hat und für die Teilnehmer immer wieder ein besonderes Ereignis darstellt.

In der ökumenischen Andacht unter Tage danken die Bergleute ihrer Schutzpatronin, der heiligen Barbara, für deren Beistand bei der täglichen Arbeit und bitten um ihren Schutz vor Unfällen oder Tod in den Tiefen des Bergwerkes.

Über das Leben der heiligen Barbara berichten zahlreiche Legenden in unterschiedlicher Form.

Barbara von Nikomedien war eine christliche Jungfrau und Märtyrerin des 3. Jahrhunderts. Der Überlieferung zufolge wurde sie von ihrem Vater enthauptet, weil sie sich weigerte, ihren christlichen Glauben und ihre jungfräuliche Hingabe an Gott aufzugeben. Wie in einer Legende überliefert wird, war Barbara eine sehr schöne und kluge junge Frau, so dass viele Männer um ihre Hand anhielten. Barbara jedoch wies die Verehrer zurück.

Sie  besuchte eine Gruppe junger Christen, die sich trotz der Christenverfolgung durch den Kaiser heimlich trafen. Barbara lernte dort das Evangelium kennen und kam zu der Erkenntnis, dass sie Christin werden wollte.

Ihr Vater versuchte sie von der Außenwelt abzuschirmen und sperrte sie in einen eigens dafür gebauten Turm – nach manchen Versionen aus Eifersucht, nach anderen Erzählungen sollte Barbara mit einem Jüngling des kaiserlichen Hofes verheiratet werden. Hauptgrund für das Einsperren des Mädchens in den Turm war der verzweifelte Versuch des Vaters, Barbaras Hinwendung zum Christentum zu verhindern.

In der Abgeschiedenheit ihres Gefängnisses bekannte Barbara sich gegen den Willen des Vaters zum Christentum.

Der Vater versuchte, sie mit Marterungen und Peinigungen umzustimmen, doch dies bestärkte sie noch in ihrem Glauben. Dem Turm ließ sie ein drittes Fenster hinzufügen – als Symbol der Dreifaltigkeit. Vom Heiligen Geist erleuchtet, ließ sich Barbara taufen. Als ihr Vater davon erfuhr, beschloss er, seine Tochter zu töten. Barbara konnte in einen Felsspalt fliehen, der sich wie durch ein Wunder vor ihr öffnete. Sie wurde dennoch von einem Hirten verraten.

Der Vater fand seine Tochter, schlug sie und brachte sie zum römischen Statthalter, der sie zum Tode verurteilte. In der Stadt wurde sie schließlich so grausam misshandelt, dass ihre Haut am Ende in Fetzen vom Körper hing. Letztendlich enthauptete der grausame Vater seine Tochter selbst. Er wurde kurz darauf vom Blitz getroffen und verbrannte, was sich der Legende nach im Jahr 306 zutrug.

Zahlreiche Volksbräuche zeigen die Beliebtheit der heiligen Barbara:

Zweige werden an ihrem Gedenktag – dem 4. Dezember – als Barbarazweige von Apfel- oder Kirschbäumen abgeschnitten und ins Wasser gestellt. Blühen sie am Weihnachtsfest, dann wird das als gutes Zeichen für die Zukunft gewertet. Dieses Brauchtum soll auf Barbaras Gefangenschaft zurückgehen: sie habe einen verdorrten Kirschbaumzweig mit   Tropfen aus ihrem Trinknapf benetzt. In den letzten Tagen ihres Lebens, schon im Bewusstsein ihres Todesurteils, fand sie Trost darin, dass der Zweig in ihrer Zelle blühte, und Barbara sagte: Du schienst tot, aber bist aufgeblüht zu schönem Leben. So wird es auch mit meinem Tod sein. Ich werde zu neuem, ewigen Leben aufblühen.

Wegen des plötzlichen Todes und da Barbara der Legende nach von einem Felsen geschützt wurde, der sich öffnete und sie verbarg, wählten die Bergleute sie zu ihrer Schutzpatronin. Naheliegend ist daher auch die Darstellung mit Bergbauwerkzeugen.

In unserer Bergbaugemeinde Neuhof wird die Hl. Barbara verehrt und nimmt einen festen Platz ein. So stand sie immer wieder Pate für die Namensgebung wichtiger Einrichtungen wie die St. Barbara-Kirche, den St. Barbara Kindergarten sowie die St. Barbara Straße. Im September 1996 wurde im Eingangsbereich Ackerweg eine Barbarastatue auf Initiative der Anlieger dieser Straße aufgestellt und gesegnet. In vielen Familien – gerade unserer Bergleute – gehört das Bild oder eine Statue der Hl. Barbara zum festen Bestandteil des Alltags.

St. Barbara, die nach der Erkenntnis des Glaubens suchte, sich bekannte und für diesen Glauben mit ihrem Leben eintrat, hat die Grenzen der Nationen und christlicher Konfessionen durchbrochen. Ihre Ausstrahlungskraft hat Jahrhunderte überdauert und ist dem Zeitgeist nicht gewichen. Das ist eine wichtige Botschaft, die auch in der heutigen schnelllebigen Zeit nicht an Gültigkeit verloren hat.

Sie, die Bergleute unserer Gemeinde, sind mit dem Brauchtum der Barbarafeiern tief verwurzelt. Davon zeugen die jährlichen ökumenischen Andachten am Erntedankfest und die Feiern zum Barbaratag, dem 4. Dezember.

Ich durfte während meiner 18jährigen Amtszeit an vielen Veranstaltungen und Barbarafeiern teilhaben. Dafür bin ich dankbar und weiterhin mit Ihnen verbunden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie noch viele Jahre das „weiße Gold“ bergen dürfen, denn wenn die Bergleute gute Zukunftsperspektiven haben, wirkt sich das – wie in der Vergangenheit – sehr positiv auf die Entwicklung unserer Gemeinde und den Wohlstand ihrer Bürgerinnen und Bürger aus.

Am Jahresende und am bevorstehenden Ende meiner langen Amtszeit darf ich herzlich Danke sagen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien noch eine besinnliche Adventszeit, ein gesegnetes friedvolles Weihnachtsfest und Gottes reichen Segen für das kommende Jahr.

Glückauf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

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